Mittwoch, 24. April 2024

4652 - Nikolai Troest

Superflot anmeldelse af ‘4652’ fra min trofaste Tyske Anmelder 🤗💪


"Flyt på landet, sagde de. Det bliver så hyggeligt dernede, sagde de."
- åh, hvor ved jeg det godt!

Kirsten og Henning, hovedpersonerne i Nikolai Troest’s novelle "4652", skal også lære det på den hårde måde. Parret, i begyndelsen af 40'erne, boede i København, ”til det blev for dyrt at bo i byen”. Mens mange af deres venner flytter til Møn, flytter de til Stevns, i en landsby med 2.894 indbyggere. Det bliver ikke helt, som de havde forestillet sig. Snart er der ikke meget tilbage af deres drøm om "Sommeridyllen med kold pink lemonade og legende børn i haven, urtehave, Webergrill, trampolin og vejfester. Drømmen om det landlige”.

…Og de mister ikke bare deres drøm. Henning mister også sit job i IT-branchen, og de mister gradvist livsmodet, håbet og hinanden som par. De "kender ikke hinanden længere." Og lidt efter lidt, i hvert fald for Kirsten, virker alt bare livløst og brunt.

”Det hele skulle have været så … ?
Der er så dejligt …ude på landet.”

Okay, Nikolai Troest skriver om gyllestank og at Kirsten og Henning ikke bliver accepteret i landsbyen. Men jeg kan sige af egen erfaring at livet på landet heldigvis byder på så meget mere! Naboerne, Henning, sancta simplicitas! Tror du virkelig, at hvis din kone taber sig lidt (hun drikker kun Coca Cola light), vil de indfødte acceptere jer? Måske hvis hun pudser vinduerne og fejer indgangstrapperne hver uge og vasker bilen i baghaven. Ellers bliver du hurtigt samtaleemnet i byen, og folk vil ikke snakke med dig, men om dig!

For fanden, nu har jeg sagt meget mere om historiens indhold, end jeg egentlig havde tænkt mig. At anmelde noveller er altid svært for mig, fordi jeg ikke vil give for meget væk. Jeg gik kun så meget i detaljer, fordi jeg til tider havde fornemmelsen af, at Nikolai Troest skrev om mig. Jeg bor ikke i 4652 men i 52538 dybt i det vestlige Tyskland, men "Same shit, new day" og vi har kun 200 indbyggere.

Nikolai Troest kommer ind på emner som parforhold, identitetskriser, samliv, tab af arbejdspladser og depression, men også ejendomsvurderinger og at skyhøje huslejer i storbyer får folk til at flytte på landet. Han skriver humoristisk og samtidig dystert, og sproget i historien er fremragende. Stemningen, der efterhånden bliver mere og mere deprimerende, fanges glimrende, "Bounjour Tristesse" overalt. Efter den surrealistiske serie “Historien om Willum” og den mere dystopiske “Nebo” er denne novelle mere realistisk, og ja, den taler fra mit hjerte. Den appellerer sikkert også til mange andre læsere. For mig er det bestemt et rigtigt højdepunkt.

Dienstag, 23. April 2024

Solange es eine Heimat gibt. Erika Mann - Unda Hörner

Erika Mann war mir vor der Lektüre von Unda Hörners Buch „Solange es eine Heimat gibt. Erika Mann“ nur namentlich bekannt. Das hat das Werk gründlich verändert, sympathisch wurde mir die älteste Tochter von Thomas Mann allerdings nicht, allerdings finde ich sie durchaus beeindruckend, zumindest wird sie von der Autorin so beschrieben. Das Buch ist eine Art Biografie, da darin bekannte Fakten zusammen mit fiktionalen Passagen zu einem speziellen Roman verwandelt werden. Ausgangspunkt von Unda Hörners Buch ist der 21. Mai 1949, der Todestag von Erika Manns Bruder Klaus. Mit diesem Datum als Zentrum beschreibt die Autorin Episoden aus Erikas Leben, immer verknüpft mit Klaus, aber auch mit ihren Eltern Thomas und Katia und vielen anderen Persönlichkeiten aus Literatur und Kunst.

Aber von vorn.

Thomas Mann war wohl enttäuscht, als seine Frau Katia 1905 nicht den ersehnten Stammhalter bekam, sondern eine Tochter. Aber Erika sollte bis zum Schluss dasjenige seiner sechs Kinder sein, mit dem er am innigsten verbunden war, sie war bis zu seinem Tod 1955 seine Assistentin, Beraterin, Sekretärin und Vertraute. 1906 wurde Klaus geboren und er und Erika wuchsen fast wie Zwillinge auf. Weil sie nur knapp ein Jahr Altersunterschied trennte, aber auch, weil sie ein Herz und eine Seele waren. Zu den jüngeren Geschwistern grenzten sie sich ab („[…] die sechs Geschwister drei märchenhafte Pärchen. Unter ihnen waltete allerdings eine rigorose Hackordnung. Erika und Klaus, Erimaus und Aißisohn, gaben unangefochten den Ton an.“), vor allem Monika wurde von ihnen verspottet und belächelt und, wie man heute sagen würde, gemobbt. Auch charakterlich waren sich Erika und Klaus ähnlich. Immer wild und unangepasst, exzentrisch und immer auf der Suche nach Identität, Sexualität, Freiheit, Glück, dem Platz im Leben und einer echten Heimat. Sie kämpften gegen Konventionen, ihr größter Kampf ist (neben dem gegen den Nationalsozialismus) aber der gegen Drogen und Alkohol. Letzteren verliert Klaus 1949, er begeht Suizid. Nach Klaus‘ Tod ordnet Erika seinen Nachlass, begleitet von Erinnerungen. Sie erinnert sich an die gemeinsame Kindheit, ihre Weltreise nach dem Abitur, die wilden Zwanziger in Berlin und ihr zunehmend aus den Fugen geratenes Leben mit dem Erstarken des Nationalsozialismus. Sie erinnert sich an die Emigration, das Leben im Exil, ihre und Klaus‘ unzählige unglückliche Beziehungen.  In ihrer beider Leben gab es nur eine wirkliche Konstante: die enge Verbindung zueinander. 

Unda Hörner verflicht in ihrem Buch Fakten mit Fiktion. Da ich die Familie Mann zu wenig kenne, fiel es mir als Leser oft schwer, Wahrheit und Dichtung zu unterscheiden, manchmal springt die Autorin für mich auch zu wild durch die Zeitebenen. Bei manchen Themen fehlt mir auch die Einordnung der Dinge, die die Autorin zwischen den Zeilen anspricht. Zur Ehe ihrer gemeinsamen Freundin Pamela Sternheim (Tochter des Dramatikers Frank Wedekind) mit dem wesentlich älteren Dramatiker Carl Sternheim sagte Erika: „»Am schlimmsten ist es, sie so unglücklich zu sehen«. »Das fatale Gesetz der Bindung an den Vater«, erinnerte Klaus. Erika war klar, warum Klaus das so genau wusste. Ein solches Gesetz herrschte über vieles in seinem Handeln. Und in ihrem.“ – was bedeutete das für sie und Klaus und ihr Leben? Machten sie den Vater dafür verantwortlich, dass sie nie wirklich glücklich wurden? Auch Erika hatte eine „verhängnisvolle Schwäche für einen Mann, der gut ihr Vater hätte sein können“, Klaus suchte die Liebe in finsteren Kabuffs „wo ihm mehr oder weniger junge Männer zu Diensten waren, um ihn richtig glücklich zu machen – meistens vergeblich.“

Aber die Autorin schreibt mitreißend. Ihre Sprache ist bildhaft und das Buch lässt sich flüssig lesen. Es ist eine Mischung aus Biografie und historischem Roman, Familiengeschichte verwoben mit Zeitgeschichte. Trotz des für mich unbekannten Terrains war es für mich eine Freude, es zu lesen, auch wenn mir die Familie Mann unsympathisch blieb. 

Von mir fünf Sterne.  


Sylter Rivalen - Ben Kryst Tomasson

 Rivalitäten, wohin man auch schaut und das in der Idylle von Sylt, dazu jede Menge Menschen mit Geheimnissen. So könnte man das neue Buch von Ben Kryst Tomasson kurz beschreiben. Allerdings würde das „Sylter Rivalen“, dem neunten Teil der Kari-Blom-ermittelt-Reihe, nicht im Mindesten gerecht. Es ist ein spannender Krimi mit Verbrechen, viel Privatleben der Ermittler, sehr viel Lokalkolorit und natürlich mit der Häkelmafia (die auch in diesem Buch eher eine Strick-Mafia ist). Für mich war es eine reine Freude.  

„Sie haben Jasper verhaftet“. So hatte sich Kriminalhauptkommissar Jonas Voss seine Elternzeit nicht vorgestellt. Unversehens muss er sich aus dem Familienleben mit seiner Frau Kari und der sechsmonatigen Tochter Lotta verabschieden und von Kiel zurück nach Sylt begeben, um seinem Sohn beizustehen. Der hatte als Aushilfe auf einem Ausflugsschiff angeheuert und als an Bord Geld gestohlen wird, wird es in seinem Rucksack gefunden. Linda Niehaus, die Kollegin, die Jonas während seiner Elternzeit vertritt, scheint sich auf Jasper eingeschossen zu haben und sucht eher zaghaft nach anderen möglichen Verdächtigen. Überhaupt macht sie sich durch ihre Arroganz und Überheblichkeit bei den meisten äußerst unbeliebt. „»Ich glaube, sie ist scharf auf deinen Posten. Deswegen will sie Jasper die Sache unbedingt in die Schuhe schieben. Weil sie denkt, dass man dich dann nach der Elternzeit irgendwo anders hin versetzt.«“, bringt Jonas‘ Kollegin Hanna Behrends ihre Vermutung auf den Punkt.

Als dann auch noch der Animateur des Schiffs, der eine Aussage zu den Diebstählen machen möchte, ermordet wird, wird es für Jasper noch enger, denn er hat kein Alibi und der junge Mann wurde mit seinem Gürtel erdrosselt. Daher reist Kari mit Baby Lotta ebenfalls nach Sylt und ermittelt undercover auf dem Schiff. Sie möchte den Täter zusammen mit der „Häkelmafia“ finden. Zuerst einmal findet sie aber ein ziemliches Chaos, denn nach genauerer Recherche hat jeder, der auf dem Schiff arbeitet, irgendeine Leiche im Keller. Schließlich handelt sich bei der „Sea Shell“ nicht um ein gewöhnliches Ausflugsschiff. Eine Zirkusfamilie hatte sich das restaurierte Schiff gekauft und bietet Rundfahrten mit angeschlossener Erlebnisfahrt an. Überwiegend arbeiten Familienmitglieder auf dem Schiff, von Familienidylle ist aber wenig zu spüren. Und je näher Kari und die Häkelmafia dem Täter kommen, desto gefährlicher wird es für sie.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten bin ich inzwischen ein großer Fan der Kari-Blom-Reihe von Ben Kryst Tomasson. Zwar war „Sylter Rivalen“ für mich erst das dritte Buch aus der Serie, aber ich habe die Lektüre sehr genossen. Das Buch war spannend, verworren und auch psychologisch überaus interessant. Da der Autor aber auch promovierter Diplom-Psychologe ist, war das wenig überraschend. Überraschend war aber trotzdem vieles an dem Buch, vor allem der Schluss, denn auf diesen Täter wäre ich im Leben nicht gekommen.

Der Spannungsbogen wird langsam, aber konstant aufgebaut, die Spannungskurve verläuft allerdings etwas auf und ab, denn zwischendurch gönnt der Autor der Leserschaft mit Exkursen ins Privatleben der Hauptcharaktere immer mal wieder Verschnaufpausen. Pausen, in denen man seine eigenen Vermutungen zur Lösung des Falls aufstellen kann, denn Verdächtige gibt es reichlich. Oft steht Baby Lotta im Mittelpunkt dieser Pausen, die ein echter Sonnenschein zu sein scheint. Viele Charaktere sind aus den vorherigen Teilen schon bekannt, werden aber immer weiter ausgearbeitet. Sprachlich finde ich das Buch sehr gelungen, es ist leicht zu lesen, sodass nichts den flüssigen Lesefluss bremst, den die rasante Geschichte verlangt. Sylt spielt in diesem Band wieder einmal eine größere Rolle, was mich sehr gefreut hat. Dazu kommen Eifersucht, Rivalitäten, den Verlust von Arbeit und Lebenswerk, manipulative und toxische Beziehungen – da war für jeden etwas dabei.

Für mich war das Buch eine rundum gelungene Lektüre. Von mir daher fünf Sterne.  


Montag, 8. April 2024

Der Lärm des Lebens - Jörg Hartmann

„Faber“ – das ist der Name, den ich hauptsächlich mit dem Schauspieler Jörg Hartmann verbinde, schließlich spielt er den kauzigen Tatort-Kommissar aus Dortmund seit über zehn Jahren. Jetzt hat er mit „Der Lärm des Lebens“ ein Buch über sein Leben, seinen Beruf und seine Familie vorgelegt. Oder zumindest war das wohl der Plan, denn so ganz funktioniert das Buch für mich nicht. Es ist keine richtige Autobiografie, es ist aber auch kein Roman, es ist irgendwo zwischendrin. Im Endeffekt war die Lektüre für mich ein netter Zeitvertreib, mehr aber auch nicht.

„In «Der Lärm des Lebens» erzählt Jörg Hartmann auf hinreißende Weise seine Geschichte und die seiner Eltern und Großeltern“ steht im Vorwort und danach habe ich überall im Buch gesucht. Ich konnte aber weder das eine noch das andere finden, er schreibt weder hinreißend, noch schreibt er übermäßig viel über seine Eltern und Großeltern. Schade, denn darauf habe ich mich gefreut, denn so etwas bringt dem Publikum den Schauspieler/Autor näher. Doch bei der Lektüre kam es mir so vor, als habe im Leben von Jörg Hartmann nur Jörg Hartmann Platz und vielleicht noch die engsten Familienmitglieder. Er schreibt ausufernd darüber, wie er sein erstes Engagement bekam, über Nebenrollen und das Anbiedern bei verschiedenen Bühnen. Dann springt er zum letzten Besuch in einem Pflegeheim in Herdecke bei seinem dementen Vater, zur Beerdigung und wieder zurück zu seinen Anfängen in der Schauspielerei. 

Insgesamt fehlt dem Buch der rote Faden für mich gänzlich. Fixpunkte in der Geschichte sind der Mauerfall, 9/11 und der Ausbruch von Covid 19. Um diese gruppiert der Verfasser seine Geschichten, springt in der Zeit hin und her und wirft mit Namen um sich, oft schreibt er im Dialekt, voller „hömma“ und „wonnich“. Das gibt dem Buch Charme und Charakter, aber leider keinen Inhalt. Die Demenz des Vaters, dessen Tod und die Mukoviszidose der ältesten Tochter werden förmlich von Nebensächlichkeiten überdeckt. Wann spielte er an welcher Bühne, wann hatte er wo Dreharbeiten? Was ist mit dem großen Puppenhaus, das er gekauft und bei der Mutter im Keller zwischengelagert hat? Wieso hat er sich simplen grünen Tee in Schanghai für sehr viel Geld andrehen lassen? Das sind eher seine Themen als die gehörlosen Großeltern oder die Pommesbude der Mutter. Substanz und Relevanz habe ich größtenteils vergeblich gesucht.

Sprachlich ist das Buch gut zu lesen, die Sätze sind simpel und die Sprache kumpelhaft und bodenständig. Angenehm fand ich auch, dass er mit Lockdown nach Ausbruch der Corona-Pandemie (anders als viele seiner Kollegen) eine gewisse Entschleunigung und Selbstbesinnung auf sich und die Kinder erlebte. Die eher kurz angerissene Geschichte seiner gehörlosen Großeltern hätte ich gerne ausführlicher gelesen. Die Episode um Wilfried, den „Riesenfan von Dortmund“, der der Meinung war, „der Faber sei überhaupt der Beste“ ging mir wirklich ans Herz. Aber es gibt in dem Buch auch weniger angenehme Stellen, wie beispielsweise die ausufernde Beschreibung eines Kindergeburtstags gegen Ende. Dieses Kapitel habe ich tatsächlich nur zu Ende gelesen, weil ich wissen wollte, woher seine lang und breit geschilderten körperlichen Symptome kamen. 

Jörg Hartmann wollte seine eigene Geschichte irgendwie in die Weltgeschichte einordnen. Das ist ihm zum Teil gelungen, zum Teil aber überhaupt nicht. Das Buch mäandert zwischen humorvoll und langweilig, interessant und dröge hin und her und schafft es wegen der vielen in epischer Breite geschilderten Belanglosigkeiten nicht, mich zu begeistern. Jörg Hartmann und ich haben wohl eine sehr unterschiedliche Auffassung darüber, was wichtig ist und was nicht. Es ist eher ein Buch für echte Fans. Von mir daher drei Sterne. 


Die perfekte Familie - Shalini Boland

 „Die perfekte Familie“ – gibt es sie überhaupt? Vermutlich nicht. Da stimmt eher das „unter jedem Dach ein Ach“. Und auch in Shalini Bolands Thriller „Die perfekte Familie“ ist die Fassade der perfekten Familie genau das: ein schöner Schein. Und auch das Buch selbst hält für mich bei weitem nicht das, was ich mir davon versprochen habe. Statt des angepriesenen fesselnden „Thrillers mit schockierenden Twists“ serviert die Autorin eine eher unausgegorene „Hand an der Wiege“ – Geschichte mit vorhersehbaren Wendungen. Schade, denn die Geschichte hätte jede Menge Potential gehabt.

Aber von vorn.

Die erfolgreiche Geschäftsfrau Gemma Ballantine zunehmend damit überfordert, Firma, Haushalt und ihren beiden Töchtern unter einen Hut zu bekommen. Dazu setzt sie auch ihre Schwiegermutter Diane immer mehr unter Druck, sich zwischen Familie und Beruf zu entscheiden. Alternativ könnte sie eine Nanny einstellen, um nicht weiterhin eine Rabenmutter zu sein, wie eine Farbschmiererei auf ihrem Auto sie nennt. Als ihre Tochter Eva für den Übertritt aufs Gymnasium einen Nachhilfelehrer (alternativ eine Nachhilfelehrerin) braucht, ist es eine Fügung des Schicksals, dass die Bewerberin Sadie nicht nur schulische Lücken schließen könnte, sondern sich auch noch um die sechsjährige Katie und um den Haushalt kümmern könnte.

Dass sich der Mary-Poppins-Verschnitt nicht nur um Kinder und Haushalt kümmern würde, war klar, sonst wäre das Buch ja kein Thriller. Naja, ist es ja auch nicht wirklich, denn durch die beiden Erzählstränge zerredet die Autorin für mich jede auch nur ansatzweise aufkommende Spannung schon bevor sie entstehen kann. Die Sicht von Gemma ist die Sicht der absolut Unwissenden. Sie versucht ihren Alltag mit Beruf und Familie zu meistern und dazu auch noch der Schwiegermutter zu gefallen, die, „früher“ selbst natürlich alles viel besser gemacht hat. Der andere Erzählstrang besteht aus Sadies Gedanken und so weiß die Leserschaft immer schon lange vor Gemma, was ihr blüht. Und leider wird die tatsächliche Handlung dann nicht mehr besonders spannend.

Sprachlich konnte mich das Buch auch nicht wirklich begeistern, stellenweise liest es sich unbeholfen und holprig, mehr wie ein Projekt einer Creative-Writing-AG als das Werk einer erfahrenen Autorin. Die Übersetzung ist allerdings wirklich gelungen. Die Charaktere waren ganz gut ausgearbeitet, wobei mir Gemma als Protagonistin völlig unsympathisch war. Sie war mir zu naiv und überfordert, um als erfolgreiche Geschäftsfrau glaubwürdig zu sein. Schwiegermutter Diana und die Nanny Sadie werden meiner Meinung nach wesentlich besser beschrieben, die Töchter und Ehemann Robert bleiben eher blass. 

Alles in allem hat mich das Buch ziemlich enttäuscht. Für mich kam kaum Spannung auf, dafür war es voller Klischees wie die „böse“ Schwiegermutter, die die Schwiegertochter ablehnt und sie das auch ständig spüren lässt. Dazu kommen die unglaublich nervigen und überehrgeizigen Mütter der Mitschülerinnen der Töchter und an Gemmas Seite ist ein alles in allem eher wenig hilfreicher Ehemann. Durch den Aufbau mit den beiden Erzählperspektiven wusste man als Leser:in zu viel, als dass einen etwas an der Handlung hätte überraschen können. Für mich war es daher kein Thriller, über weite Strecken noch nicht einmal ein Krimi, sondern eher eine leidlich unterhaltsame Familientragödie wie man sie schon zig Mal gelesen hat. Zu Ende gelesen habe ich das Buch im Endeffekt nur, weil ich bis kurz vor Schluss auf die versprochenen „schockierenden Twists“ gewartet habe. Vergeblich. Von mir daher zwei Sterne. 


Spinnennetz - Lars Kepler

 Joona Linna und seine Kollegin Saga Bauer gehen mit „Spinnennetz“ in die neunte Runde. Da hat das Duo Lars Kepler (dahinter verbirgt sich das Ehepaar Alexandra Coelho Ahndoril und Alexander Ahndoril) mal wieder ein Buch voller Extreme abgeliefert! Extrem spannend, extrem kompliziert, extrem brutal – und extrem lang. Lang habe ich auch gebraucht, bis ich mich an das Buch gewagt habe, Bücher jenseits der 600 Seiten wirken oft etwas einschüchternd auf mich. Aber nach kurzer Zeit hat es mich vollkommen gefangen genommen und die Seiten flogen nur so dahin. 

Aber von vorn.

Nachdem Saga Bauer ihren letzten Einsatz nur knapp überlebt hat, ist sie vom Polizeidienst suspendiert und verdingt sich als Privatdetektivin. Bevor sie aus der Reha-Klinik entlassen wird, erhält sie eine handgeschriebene Postkarte, auf der steht: „Ich habe eine blutrote Pistole der Marke Makarow. Im Magazin stecken neun weiße Kugeln. Eine davon wartet auf Joona Linna. Die Einzige, die ihn retten kann, bist du.“ Unterschrieben ist die Karte mit „Artur K Jewel“ - einem Anagramm des Serienmörders Jurek Walter. Aber der ist tot, Joona hat ihn eigenhändig getötet. Joona sieht sich selbst auch nicht in Gefahr. Doch dann passiert der erste Mord und der Modus Operandi passt zu Jurek Walter. Nach und nach tauchen Zinnfiguren auf, die den Opfern ähnlichsehen, eingepackt in Hinweise auf die Tatorte. Saga steht Joona und seinem Team bei den Ermittlungen mit Rat und Tat zur Seite. Doch als noch mehr Morde passieren und sie mehr Hintergrundwissen zu haben scheint als alle anderen, gerät sie plötzlich selbst als Hauptverdächtige ins Visier der Ermittler. Dabei will sie doch nur helfen und vor allem Joonas Leben retten, bevor der irre Serienkiller ihn erwischen kann. Oder etwa nicht?

Was für eine wilde Fahrt beschert uns Lars Kepler mit diesem Thriller! Zwar hat sich der Anfang ein bisschen gezogen und die Geschichte brauchte ein bisschen „Vorspielzeit“, als sie aber dann einmal Tempo aufgenommen hatte, war die Spannung nicht mehr auf- und manchmal kaum mehr auszuhalten. Dafür lässt die „Nachspielzeit“ (der Epilog) auf einen nächsten Teil hoffen. Der Spannungsbogen ist hoch, die kurzen Kapitel und der prägnante, fast nüchterne Schreibstil sorgen für eine zusätzliche Spannungssteigerung. „Spinnennetz“ ist für mich ein hervorragend geschriebener, sehr gut übersetzter Thriller der Extraklasse. Wie vom Autoren-Duo nicht anders zu erwarten, gibt es reichlich Leichen, an Brutalität und krimineller Perversion wird ebenfalls nicht gespart. Die Beschreibungen sind bildhaft und damit ist das Buch nichts für schwache Nerven und sensible Mägen. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet, Joona Linna hat dieses Mal eher eine Nebenrolle, die klare Protagonistin ist Saga, die so hart darum kämpft, wieder zurück ins normale Leben und in den Polizeidienst zurückzufinden. Aber auch Joona hat an mehreren Fronten zu kämpfen, seine Nemesis Jurek Walter lässt ihn auch nach dem Tod nicht los, denn der Serienmörder und seine Stimme haben sich unlöschbar in seine Erinnerungen eingebrannt. Und auch die Leserschaft entkommt Jurek Walter nicht. Daher empfehle ich allen Interessierten, vorher die anderen Teile der Serie in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Die komplexe „Jurek-Walter“-Thematik wird etwas einfacher nachzuvollziehen, wenn man sie von Anfang an kennt. Aber natürlich kann man das Buch auch ohne Vorkenntnisse lesen, wenn man das gerne möchte.

Nach einigen falschen Fährten und sehr viel Fahrerei gibt es auch für diese Geschichte einen stimmigen Schluss, der mich ziemlich überrascht hat. Für mich als bekennenden Fan der Serie ist das Buch ein absolutes Muss, ich empfehle es aber allen, die rasant spannende, blutige und brutale Thriller mit Einblicken in tiefe seelische Abartigkeiten mögen. Ich freue mich auf den nächsten Teil der Serie, bis dahin sind meine Fingernägel auch nachgewachsen, sodass ich sie dann beim Lesen vor lauter Spannung wieder abknabbern kann. Von mir gibt es natürlich fünf Sterne. 


Donnerstag, 21. März 2024

Flüsterwald - Eine neue Bedrohung. Der letzte Funken Magie - Andreas Suchanek

Das Problem, das ich bei der Rezension von Buchserien habe, ist, dass ich irgendwann anfange, mich bei meinen Lobpreisungen zu wiederholen. Da ist Andreas Suchanek um einiges besser als ich (und vermutlich nicht nur da), denn er schafft es, sich auch im achten Teil seiner „Flüsterwald“-Reihe noch jede Menge Neues einfallen zu lassen. „Flüsterwald - Eine neue Bedrohung. Der letzte Funken Magie“ ist der Titel des neuen Teils der Serie und damit bringt er die zweite Staffel zum Abschluss, natürlich nicht ohne mit einem Cliffhanger Lust auf die nächste Staffel zu machen. Das Buch schließt nahtlos an seinen Vorgängerband in der Reihe an, deshalb war ich froh, dass ich nicht allzu lange darauf warten musste.

Aber von vorn. 

Wie es sich schon am Ende des letzten Teils der Serie abgezeichnet hat, sind alle Flüsterwälder der Welt samt ihren Bewohnern versteinert. Nur der Flüsterwald in Deutschland mit seinem Zentrum der Herzburg, ist der bösen Zauberin noch nicht zum Opfer gefallen. Das möchte diese jetzt natürlich mit Unterstützung der Angreiferkatzen ändern. Außerdem saugt eine Schöpfungsapparatur alle Magie auf, und die Magie der Flüsterwäldler funktioniert nicht mehr wie gewohnt. Durch das Absaugen der Magie droht zudem ein riesiger Felsbrocken vom Himmel zu stürzen. Da haben Lukas, Ella, Punchy, Rani und Felicitas zusammen mit ihren Freunden Jacub, Ajala, Zoe und Noah und weiteren Unterstützern aus den anderen internationalen Flüsterwäldern alle Hände voll zu tun und die Zeit läuft den Freunden davon. Können sie es auch dieses Mal schaffen, ihren Flüsterwald zu retten? Und wer steckt eigentlich genau hinter den Angriffen?

Wow, was für eine Geschichte! Da hat uns Andreas Suchanek ja fast einen Krimi serviert! Ich bin ja schon ein etwas fortgeschrittenes Kind, aber mich hat das Buch komplett in seinen Bann gezogen und ich habe mit den Charakteren mitgefiebert. Die sind, wie vom Autor gewohnt, liebevoll beschrieben und ihre Entwicklung vom ersten Band der Reihe bis zu diesem ist konstant und konsistent. Freundschaft und Zusammenhalt spielen natürlich wieder eine große Rolle. Jeder einzelne hat seine eigene spezielle Fähigkeit, jeder ist im Team wichtig, egal, ob er Kämpfer oder Brauer von Zaubertränken ist. Hilfsbereitschaft und Teamwork sind im Kampf gegen die Angreiferkatzen und die böse Zauberin ebenso wichtig wie im wahren Leben, Herkunft und Hautfarbe spielen bei der Zusammenarbeit selbstverständlich keine Rolle. Die neuen Freunde von Lukas, Ella und Co. kommen zum Beispiel aus Indien, Australien, Tschechien und Amerika. Dazu werden natürlich Themen wie Umweltverschmutzung und Tierschutz auch in diesem Buch wieder aufgegriffen. 

Der Schreibstil ist überwiegend altersgerecht, manche der verwendeten Worte fand ich allerdings ein bisschen überambitioniert. Trotzdem fand ich das Buch angenehm und locker zu lesen, für kleinere Fans der Reihe eignet es sich sicher auch als Vorlesebuch, zumal die Kapitel eher kurz sind. Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, da sich Ella und Lukas getrennt auf Rettungsmission begeben. Ella und ein paar ihrer Freunde versuchen, das Herz des Waldes zu verteidigen und Lukas, macht sich (unter anderem begleitet vom Menok Rani, der immer noch vor sich hin pubertiert) auf zum Giftmüllsee und in die Stadt der Meerjaner.  

Wie die anderen Teile der Serie hat mich auch dieser sehr gut gefallen und ich freue mich schon auf die neue Staffel. Der Autor gibt sich alle Mühe, dass man das Buch auch ohne Vorkenntnisse lesen und verstehen kann, die Geschichte ist auch weitgehend in sich abgeschlossen. Beim inzwischen achten Teil der Reihe empfehle ich aber, die Vorgängerbände ebenfalls zu lesen und das, wenn möglich, in der richtigen Reihenfolge. Für „Den letzten Funken Magie“ gibt es von mir natürlich fünf Sterne.